Der Social Injustic Warrior (SIJW), zu Deutsch Krieger der Sozialen Ungerechtigkeit, bezichtigt gerade diejenigen, die für soziale Gerechtigkeit eintreten, der Ungerechtigkeit. Wie ein Stalker überwacht er die Verteilung von Gerechtigkeit auf dem sozialen Feld. Er ist ein frauenfeindlicher und oft weißer Mann mit einem bemerkenswert intimen Verhältnis zu Technik. Der SIJW bedient sich jeder verfügbaren medialen Plattform, um die von anderen Menschen thematisierten Ungerechtigkeiten und sozialen Ungleichheiten einer Kontrolle zu unterziehen. An seiner Tastatur leistet er harte Arbeit, um die Legitimität dieser Forderungen zu untergraben. Alle aktuellen Ausprägungen von Kämpfen um soziale Gerechtigkeit begreift er als Ungerechtigkeiten gegen sich selbst – egal, ob es um Rassifizierung, Geschlecht, Klasse oder Sexualität geht. Von der Postmoderne fühlt er sich übergangen, vom Begriff Rape Culture ausgebremst und von nicht-binären Lebensentwürfen abgestoßen. Er nimmt eine hasserfüllte und manchmal gewalttätige Haltung gegen Feminist*innen, queere Menschen und People of Color ein.

Zum einen ist der SIJW zwar ein fehlinformierter politischer Akteur, zum anderen ist er aber auch ein technologisches Phänomen. Er existiert nicht nur, weil es um die Diskussionskultur insgesamt schlecht bestellt ist oder weil er zu oft mit seinen technischen Geräten herumspielt, sondern weil er in der Lage ist, mit den Mitteln der Technologie das soziale Feld zu organisieren. Beispielsweise spiegelt sich in der Einstellung zur Technologie auch eine Wahrnehmung von Geschlechterdifferenzen und anderen gesellschaftlichen Unterschieden. Will man den SIJW im Namen der Gerechtigkeit wirkungslos machen, muss man sein Technologieverständnis und seine technologischen Strategien verstehen. Hierin liegt für Feminist*innen und Aktivist*innen die Chance, ihn mit den Mitteln der Technologie zu schlagen. Folgen wir also den Pfaden dieses Kriegers und decken statt des verstörenden Inhalts seiner Hassreden seine technologischen Strategien auf.

Trick Nr. 1 des Social Injustice Warrior: Versteck dich in Muttis Keller

In Karikaturen wird der SIJW oft dargestellt, wie er zu Hause in Muttis Keller in seine Tastatur haut und sich über die Kommentarfunktion der Webseiten hermacht, als sei er ein mittelalterlicher Ritter in einem belagerten Turm, der sich mit seiner Armbrust verteidigt. All der multikulti, feministisch queere, schwarze, intersektionale, geschlechtsneutrale Toilettenzirkus, der da draußen stattfindet, ist einfach zu viel für ihn. Dieser „ausrangierte“ Mann, der sich in Muttis Keller verbarrikadiert und in Technikportale flüchtet, um eine – für ihn – lebenswertere Welt zu entwerfen, scheint sich mit jener verletzten Männlichkeit zu identifizieren, die im äußersten rechten Flügel des politischen Spektrums gärt.

Über das politische Spektrum von Männerrechts-Aktivisten bis zu aktuellen feministischen Forscher*innen hinweg ist man sich einig, dass es eine Korrelation zwischen der realitätsfernen Welt der Technologie und dem rasant wachsenden Anteil antisozialer, weißer Männer in dieser Sparte gibt. Die Vorstellung von Technik als Mittel zur Realitätsflucht ist weit verbreitet, sei es bei den aufgebrachten Typen der Alt-Right-Bewegung, bei den stillen Programmier-Nerds oder bei Elon Musk, ob er nun gerade die Raumfahrt zum Mars, eine neue Firma oder eine technische Apparatur plant. Der Trick mit der Flucht – egal ob auf den Mars oder in Muttis Keller – verleiht dem SIJW seine Macht.

Trick Nr. 2 des Social Injustice Warrior: Die (sozialen) Batterien leersaugen

Befindet man sich im Kampf um soziale Gerechtigkeit selbst an vorderster Front, ist es nicht empfehlenswert, die Trolle zu füttern. Feminist*innen und antirassistischen Aktivist*innen wird geraten, dies auch nicht zu tun. Doch das ist, spätestens seit Wladimir Putin 2011 damit begonnen hat, Trollfabriken zu finanzieren, irrelevant geworden. Ursprünglich, im Jahr 2011, sollten sie für seinen Machterhalt sorgen; 2016 wurden sie reaktiviert, um während der US-Präsidentschaftswahl soziale Unruhe im Westen zu stiften. Und sie produzierten mehr als falsche Nachrichten und Unruhe – sie produzierten Erschöpfung. Ein bewährter und effektiver Weg, das soziale Feld umzustrukturieren und die eigene Macht abzusichern, besteht darin, anderen die nötige Energie zu rauben, um Gegenargumente vorzubringen.

Und genau das ist passiert. Rechte Hass-Verbreiter – egal ob Bots oder Menschen – begegneten fast jeder linken Thematisierung einer Ungerechtigkeit mit einer elektronischen Schwarmarmee, die sich lauthals über Gegen-Ungerechtigkeiten mokierte. Wenn jeder politische Diskurs vergeblich erscheint, dann breiten sich Erschöpfung und Apathie in der Gesellschaft aus. Die Kämpfe für soziale Gerechtigkeit, um die Löhne in den Fabriken, auf den Straßen, vor Polizeiwachen, in Gefängnissen, an den Universitäten und in Klassenräumen gehen zwar weiter. Doch wir müssen feststellen, dass das Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit nicht länger auf der Agenda steht, wenn sie als Teil eines Lärms wahrgenommen werden, „der einfach mal abgeschaltet werden muss“.

Trick Nr. 3 des Social Injustice Warrior: Ersetze die kaputten Maschinen

Wenn sich Feministinnen und andere Aktivist*innen für soziale Gerechtigkeit in eine Verweigerungshaltung begeben, dann bleibt es dem SIJW überlassen, sich technologischen Lösungsansätzen zuzuwenden. Marshall McLuhan war sich vielleicht nicht ganz über die geschlechtliche Dimension seiner Gleichsetzung von Technologie und Patriarchat im Klaren, die er in Die magischen Kanäle vornahm: „Man wird gewissermaßen zum Geschlechtsteil der Maschinenwelt, wie es die Biene für die Pflanzenwelt ist, die es ihr möglich macht, sich zu befruchten und immer neue Formen zu entfalten. Die Welt der Maschine erwidert den Liebesbeweis des Menschen/Mannes, indem sie seine Wünsche und sein Begehren schnell erfüllt, ihm nämlich Reichtum verschafft.“ Bezieht man dies auf heute, stellt sich die Frage, was passiert, wenn die Maschinenwelt die Liebe des Mannes nicht länger erwidert und stattdessen seine Macht infrage stellt? Die Angriffe der extremen Rechten auf den Feminismus, die Postmoderne, Black Lives Matter oder auf das Phänomen der Immigration weisen in dieselbe Richtung: Die Lösung scheint darin zu bestehen, die „kaputten“ Maschinen auszutauschen, wenn sie die gewünschte Funktion nicht mehr erfüllen.

Feministinnen, antirassistische Aktivist*innen, Fabrikarbeiter*innen, Menschen, die nicht der Norm entsprechen, die nicht brav alle Vorgaben einhalten – sie sind anscheinend die kaputten Teile des Systems – gerade weil ihre Existenz die strukturellen Ungerechtigkeiten im heutigen Gesellschaftssystem offenlegt. Würden aber die sozialen Ungerechtigkeiten wirklich beseitigt werden, würde die Macht weißer Männer hinfällig. Also träumen sie von einer technologischen Zukunft, in der die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit überholt ist, weil sämtliche kaputten Technologien verworfen und ausgewechselt werden können. Aber genau diese Hinwendung des SIJW zu den neuen Technologien ist das Spielfeld, auf dem Feminist*innen ihn schlagen können.

Fazit

So wie das „realitätsferne“ Internet, aus dem der SIJW seine politische Macht bezieht, waren auch Frauen bedeutende Einfallstore für das Patriarchat. Mit Blick auf Donna Haraways Ruf nach einer feministischen Ontologie im Cyborgmanifest,[i] könnte man festhalten, dass der SIJW vielleicht unabsichtlich die Voraussetzungen einer neuen feministischen Politik geliefert hat. Man muss sich klarmachen, dass die technologische Sphäre wesentlich zur Aufrechterhaltung von Ungerechtigkeit beiträgt. Gleichermaßen muss sie aber auch als unumgängliche Voraussetzung für mehr Gerechtigkeit hervorgehoben werden. Also: Räumt Muttis Keller, blockiert die maskulinistischen technologischen Fluchtwege und weigert euch, eine entleerte Batterie zu werden. Übernehmt die Logik der kaputten Maschine. Stellt die technologischen Bedingungen für die Existenzmöglichkeit des SIJW auf den Kopf.