Wenn wir über das sprechen, woraus die Welt besteht, unterscheiden wir im Allgemeinen zwischen Dingen (dem, was ist), Objekten (dem, was hergestellt wird) und Gütern (dem, was austauschbar ist, beziehungsweise sich monetarisieren lässt). Für den deutschen Philosophen Martin Heidegger lag der entscheidende Unterschied zwischen „Objekten“ und „Dingen“. „Dinge“ können seiner Ansicht nach auch ohne Subjekte existieren, aber „Objekten“ liegt ein spezifisches Verhältnis, zwischen dem Subjekt und der von ihm bewohnten Welt, zugrunde: „Dinge“ sind eine nicht codierte, Objekte eine codierte Form von Materialität.
An dem Vortragsabend Thing im Ethnologischen Museum in Berlin-Dahlem setzten sich Arjun Appadurai, Tony Bennett und Sharon Macdonald mit der spezifischen Seinsform auseinander, durch die Objekte in ethnographischen Sammlungen definiert sind.
Zum Auftakt der Veranstaltung beschrieb Appadurai in seinem Vortrag unsere Objekt-Welt als sozial und politisch. Objekte, so Appadurai, seien mobil und animiert, in der Lage, Absicht, Begehren und telos, ihr Ziel, zum Ausdruck zu bringen. Derzeit gibt es eine Vielzahl von Disziplinen, von der Anthropologie bis zur Robotik, die der Verstrickung menschlicher und nicht menschlicher Akteur*innen Rechnung tragen und versuchen, deren Interaktionen zu beschreiben. In Anlehnung an Igor Kopytoffs Die kulturelle Biographie der Dinge argumentierte Appadurai, dass Objekte, obwohl sie für einen bestimmten Zweck hergestellt werden – sei er politisch, utilitaristisch, religiös, ästhetisch oder eine Kombination aus Verschiedenem – dazu neigen, von den sozialen Funktionen, für die sie bestimmt waren, abzuweichen. In sozialer Hinsicht leben Objekte viele Leben: Sie können als ikonische Objekte beginnen und als Erbstücke, Luxusgüter oder sogar als Müll enden – auch der umgekehrte Weg ist möglich, wenn auch wesentlich seltener.
Für Appadurai verlieren Objekte, unter dem Aspekt der Umsiedlung betrachtet, auf dem Weg von ihren Herkunftsorten bis zu den Museen, in denen sie gezeigt werden, einen wesentlichen Teil ihrer Biografie. So wie Migrant*innen, führte er weiter aus, durchlaufen die Dinge, die in einer ethnografischen Sammlung landen, eine Reise, deren Verlauf sich auf ihr Sein auswirkt; und doch wird diese „Middle Passage“ fortwährend aus der Art ihrer Darstellung ausgeklammert: Museen geht es meist um Herkunft und Kontext als Marker für Authentizität. Die komplexen Zusammenhänge zwischen Tausch und Plünderung oder die vielen Hände, die diese Objekte auf ihrer Zufallsodyssee eventuell durchlaufen, bis sie ihren endgültigen Bestimmungsort erreichen, werden dagegen beiseitegelassen. Appadurai veranschaulichte seinen Standpunkt anhand von drei Artefakten aus der ethnologischen Sammlung: ein Gewand aus bemalter Bisonhaut, eines von zwölf, das im Zuge einer Expedition um 1830 nach Deutschland gebracht wurde, ein Königsthron, mandu yenu, aus Kamerun, den König Njoya 1908 dem deutschen Kaiser Wilhelm II. schenkte, und eine gravierte Stele aus Guatemala, die aus der Zeit zwischen 500 und 900 n. Chr. stammt.
In keinem der Fälle enthält der Museumskatalog Angaben zu den Umständen, unter denen die Objekte entwurzelt und nach Europa gebracht wurden: Unter welchen Umständen setzte eine deutsche Expedition, die aus einem Prinzen und einem Maler bestand, die Segel nach Missouri? Wurden die Gegenstände zum Zweck des Wiederverkaufs gesammelt? Welche Kriterien standen bei der Auswahl im Vordergrund? Wie sollte man die Zusammenhänge zwischen Geschenk, Handel, Diplomatie und Imperium ansprechen? Welche Logistik war für den Transport von so massiven Objekten wie einer steinernen Stele erforderlich, und wie wurde sie umgesetzt? Appadurai zufolge würde es sich lohnen, wenn man diese mit der komplexen Dynamik von Humanismus und Imperium verknüpften Reisen untersuchen und in die Erzählweise der Objekte einbinden würde
Mit dem Vergleich von Objekten und Migrant*innen zog Appadurai eine Parallele zwischen der Suche nach einem „neuen“ Leben und den sich ständig verändernden kulturellen Biografien der Artefakte. Im Gegensatz zu Artefakten gelten Migrant*innen durch ihre Geschichte jedoch als „befleckt“ oder „beschädigt“ – auch wenn ihre Vergangenheit als mitleidswürdig gilt, wird ihre Zukunft als unvorhersehbar und problematisch angesehen. Anstatt sich gegen migrantische Objekte und menschliche Migrant*innen zu stellen, schlug Appadurai vor, beide als ebenso komplexe wie interaktive Mischungen aus Stabilität und Entwurzelung zu beschreiben. Eine veränderte Ansprache an Migrant*innen würde so auch eine Änderung der umfassenden kulturellen Narrative und Hierarchien bedeuten, zu denen ethnographische Sammlungen gehören. Unabhängig von seinen Intentionen bietet sich die metaphorische Äquivalenz, die Appadurai zu etablieren suchte, selbst zur Aneignung an. Es dürfte dem Redner vermutlich entgangen sein, dass der französische Präsident François Hollande in einer Rede auf einer UNESCO-Konferenz in Paris bereits Pläne angekündigt hat, von Zerstörung bedrohten Schätzen aus Kunst und Archäologie „Asyl“ zu gewähren. Hier dient die Äquivalenz zwischen bedrohtem Erbe und bedrohtem Leben einmal mehr zur Rechtfertigung des Hortens von Reichtümern und nicht als Mittel zur Bekämpfung der Not ihrer Besitzer*innen.
Tony Bennett, der sich zunächst mit den politischen Fragen zu ethnographischen Artefakten in australischen Institutionen beschäftigte, konzentrierte sich in seinem Vortrag auf das Zusammenspiel zwischen den (unveränderlichen) materiellen Eigenschaften der Dinge und ihren (veränderlichen) wechselnden, beziehungsweise kontextbezogenen, Bedeutungen.
Wie lässt sich diese Mobilität innerhalb der Immobilität des institutionellen Kontextes erfassen? Wenn Museumsdinge als veränderliche unveränderliche mobile Elemente interpretiert werden, so Bennett in Anlehnung an Bruno Latours Konzept der „immutable mobiles“, muss ihre Unveränderlichkeit als Funktion eines institutionellen Diskurses, seiner Ausstellungspolitik und der dazugehörigen Netzwerke angesprochen werden. Einzelne Objekte bringen, sobald sie gesammelt, geordnet und in einem Beziehungsgefüge arrangiert wurden, wie es in Museen gezeigt wird, eine Fülle von eher abstrakten Einheiten hervor: Kunst, Geschichte und Urgeschichte, nationales Erbe, Ethnographie. Bennett zufolge sollte der Fokus auf der Arbeit der kulturellen Institutionen, nicht auf den Objekte in ihrer Obhut liegen, wenn es um ein Verständnis der Modalitäten der Objekthaftigkeit und der mit ihnen einhergehenden Subjekthaftigkeit geht.
Am Beispiel des Projekts Encounters des National Museum of Australia argumentierte Bennett, dass jeder Versuch, die „wahre Bedeutung“ eines Objekts wiederherzustellen, der institutionellen Mise en Scène durch die Inszenierung einer Resozialisierung lediglich eine weitere Ebene hinzufüge, anstatt einen „sauberen Bruch“ mit der Kolonialgeschichte zu ermöglichen. Ein paradigmatisches Objekt, der Gweagal-Schild, zeigt, wie die Auseinandersetzung bestenfalls eine Neuordnung oder Neuzusammensetzung dieser Objekte bewirkt anstatt eine Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Bedeutung: Der Schild, durchbohrt von einer Kugel oder einem Speer, markiert den ersten Akt kolonialer Aggression. Er ist zugleich das Objekt Null der imperialen Herrschaft und das Zeichen für indigenes Leben „vor dem Kontakt“.
Bennetts Betrachtung von Museen als Kulturakteure und nicht nur Kulturverwahrer aufgreifend, erzählte Sharon Macdonald eine Anekdote: Sie wurde einst zurechtgewiesen, weil sie die Dinge, die von Kurator*innen im Allgemeinen als Vitrinenausstattung betrachtet werden – die Nichtobjekte, die in Vitrinen als Requisiten dienen –, als „Objekte“ bezeichnet hatte.
Ein Objekt ist im Kontext der Museumspräsentation nicht irgendetwas, sondern ein Etwas mit Inventarnummer. Macdonald zufolge nimmt Das Museum der Dinge in Berlin eine subversive Haltung gegenüber diesen Hierarchien ein, indem es gewöhnliche, vor allem geschmacklose Dinge musealisiert und damit die Kontingenz hervorhebt, die alle Formen der Klassifizierung durchdringt. Macdonald verwies auch auf die Kontinuitäten (Anhäufung von Reichtümern) und Diskontinuitäten (fehlende Umverteilung) zwischen Potlatch- und Museumszeremonien und auf das kuriose kuratorische Projekt, bei dem das Museum der Dinge einen Künstler aufforderte, die Objekte seiner Wahl zu zerstören. Dieses Ereignis, so Macdonald, adressiere die Zeitlichkeit des Museums und seine säkulare Inszenierung der Unsterblichkeit, die, so artifiziell sie auch sein möge, dem schnellen Tempo des kapitalistischen Konsums entgegengesetzt bliebe. Museumsdepots könnten als kryogene Krypten beschrieben werden, gefüllt mit ruhenden Objekten, deren Polyvalenz beunruhigend sein mag, von den Kurator*innen jedoch geweckt werden muss.
Doch jeder noch so vielfältige kuratorische Ansatz muss der institutionellen Kongruenz der Museumsform entsprechen. Und es ist diese Übereinstimmung der Form, durch die kulturelle Differenz reguliert und letztlich negiert wird. Anstatt sich auf die „Dinghaftigkeit“ als Ort des Widerstands zu konzentrieren, sollte man sich eher mit der spezifischen Form der Medialität befassen, die etwas zu einem „Artefakt“ macht. So heißt es in Adornos Negativer Dialektik (1973), die „Dinghaftigkeit der Welt [ist] auch Schein. Sie verleitet die Subjekte dazu, das gesellschaftliche Verhältnis ihrer Produktion den Dingen an sich zuzuschreiben.“ Der sogenannte Widerstand des Objekts – um, als eine Art Schlussfolgerung, auf Tony Bennett zurückzukommen – ist in Wirklichkeit der Widerstand, den die eine Erzählung der anderen entgegensetzt.