Es war Mitternacht, der 25. Juli 1966, neblig und sehr schwül. Ein Schiff hatte seine Ladung im Hafen von Shahpour im Persischen Golf gelöscht und war auf dem Weg nach Hause, nach Griechenland. Das Schiff kam vom Kurs ab und lief vor der Küste von Baghu, einem Dorf auf der Insel Kisch, auf Grund – so nah am Ufer, dass es fast auf der Insel selbst aufgelaufen wäre. Einer der Dorfbewohner*innen erzählte mir einmal, dass das Schiff sieben Nächte lang die Küste und das in der Nähe liegende Dorf beleuchtet hätte, die damals keine Elektrizität hatten. Er war ein Kind und brachte der Besatzung Melonen im Tausch für Obstkonserven. In der achten Nacht ging dem Schiff der Treibstoff aus, die Lichter wurden schwächer und gingen schließlich ganz aus. Mit großer Mühe wurde versucht, das Schiff in tiefere Gewässer zu ziehen, aber es bewegte sich nur einige Zentimeter.

Heute ist das Schiff komplett verrostet. Jedes Mal, wenn ich vorbeikomme, scheint es, als wäre es ein wenig tiefer in den Golf gezogen worden. In Wahrheit ist es die Küste, die langsam vom Meer weggefressen wird. 45 Jahre schon betrachtet das Schiff beharrlich die Insel. Tourist*innen kommen aus ganz Iran, um seine Silhouette vor dem Sonnenuntergang zu betrachten. Mit der Zeit ist es mit der tropischen Abendröte von Kisch verschmolzen. Ich glaube, Kischs Moderne begann am 25. Juli 1966 um Mitternacht, als das Dampfschiff vor seiner Küste auf Grund lief. Das gestrandete Schiff prophezeite, was Kischs verquere Odyssee auf der Landkarte der modernen Welt werden sollte.

Eine kurze Einführung

Lange war Kisch eine vergessene Insel im Persischen Golf, ihrem Schicksal überlassen, während Reichtum und Fortschritt den nördlichen Teilen Irans vorbehalten waren. Die Inselbewohner*innen sorgten mit Fischerei und unbeständigen Erträgen aus der Landwirtschaft für ihren Lebensunterhalt – aber vor allem durch den Import illegaler Güter aus benachbarten Staaten am Golf. Bei der ersten offiziellen Volkszählung auf der Insel im Jahr 1956 zählte man 760 Personen. Dies war weniger als die Hälfte der Bevölkerung, die sechs Jahre zuvor vom Geographie-Institut der iranischen Armee registriert worden war. Seitdem waren die Menschen durch Armut gezwungen worden, in die Länder auf der Südseite des Persischen Golfs zu migrieren. Freizügige Handels- und Zollvorschriften und die Mühelosigkeit des Reisens hatte die arabischen Scheichtümer in eine wahre Freihandelszone verwandelt, die viele Menschen aus Kisch und anderen südlichen Teilen des Iran weglockte. 1955, auf einer Reise durch die iranischen Häfen am Persischen Golf, machte der neu ernannte Chef der Zollbehörde einen Stopp am Freihandelshafen von Dubai. Zwei Jahre später, als er Zollminister war, versprach er auch für die südlichen Häfen Irans eine Freihandelszone. Allerdings geschah dies nicht unverzüglich: Erst als die politische Szenerie in den benachbarten arabischen Ländern sich änderte, begannen die iranischen Behörden, die Insel Kisch wahrzunehmen.

Die Verstaatlichung des Suezkanals 1956 durch Ägypten und die Revolution vom 14. Juli zwei Jahre später, die die pro-westliche Monarchie im Irak stürzte, hatten die panarabische Stimmung verstärkt. Radiosignale aus benachbarten Staaten, die den arabischen Nationalismus befeuerten, erreichten den Arabisch sprechenden Süden des Iran und auch Kisch. Sie kritisierten die iranische Regierung dafür, dass sie sich mit dem „westlichen Imperialismus“ verbünde und gegen ihre arabischen Minderheiten diskriminiere. Dies alarmierte den Schah und ließ ihn die Politik gegenüber dem südlichen Teil des Iran überdenken. Nur zehn Jahre später wurde ein Plan für Kisch entwickelt: Es sollte ein „modernes“ und „fortschrittliches“ Reiseziel für einen exklusiven Tourismus werden. Die Regierung plante, die Insel in eine internationale Touristen- und Freihandelszone umzuwandeln, um so die wohlhabenden Eliten der ölreichen arabischen Scheichtümer und aus dem Westen anzulocken. 1968 wurde Kisch offiziell zur Freihandelszone erklärt, und um Wettbewerber auszustechen, wurden alle Pläne zurückgenommen, die existierende Häfen in Freihandelszonen verwandeln sollten.

Das erste auf Kisch errichtete Gebäude war der Palast des Schahs. Er hatte beschlossen, die Insel während des Winters selbst als exklusives Resort zu nutzen und dort Gäste zu empfangen. Die Verbindung mit der kaiserlichen Familie unterstrich zweifelsohne den Reiz der Insel und verlieh ihr geopolitische Bedeutung. So gesehen war es nur natürlich, dass der Shah Gastgeber der Eröffnungsfeier war, für die eine ausgewählte Gruppe internationaler Gäste mit einer Concorde eingeflogen wurde. Das Datum der Feier war der 29. Oktober 1977. Die Proteste, die der Revolution auf dem Festland des Iran vorausgingen, kamen da gerade erst langsam in Gang.

Der Palast des Schahs auf Kisch. Quelle: Iran Elements of Destiny (Toronto, Canada: mcClelland & Stewart, 1978, Seite 350).

Ich habe einmal berechnet, dass ich an der gekrümmten Spitze der nordöstlichen Küste landen würde, wenn ich vom Schiffswrack aus auf einer geraden Linie bis zum anderen Ende der Insel liefe. Dieser Landzipfel ist bekannt als bester Ort auf der Insel um den Sonnenaufgang zu sehen. Der Bau des Resorts begann genau am Fuße dieser Küste. Mit ihren Sandstränden erschien sie ideal für Ferien und Unterhaltung.

Das Gelände war bereits bewohnt, und dies bedeutete, dass es „evakuiert“ werden musste, bevor die Bauarbeiten beginnen konnten. Der Ort war das Verwaltungszentrum der Insel, wo sich auch das größte Dorf befand, Masheh (das Farsi-Wort für „Trigger“). 1971 wurde die Regierungsbehörde The Kish Development Organization (KDO) gegründet, um die Bauarbeiten auf der Insel zu überwachen. Das Budget für die KDO stammt von der Entwicklungsbank (Bank-e Omran) und der Nationalen Geheimdienst- und Sicherheitsorganisation (SAVAK). Zunächst baute die KDO ein weiteres Dorf, etwas westlich von dem bereits existierenden Ort Saffein, und zwang die 700 Bewohner*innen von Masheh dorthin umzuziehen. Dann wurde das neue Dorf in Neu-Saffein umbenannt, Masheh wurde zu Alt-Saffein.

In Neu-Saffein spazieren zu gehen, ist ein merkwürdiges Erlebnis. Die Architekt*innen haben sorgfältig versucht durch Materialien und Entwürfe für den Südiran typische Eigenschaften und Stadtplanung zu simulieren, so wie man sie in Alt-Saffein finden konnte. In einer Informationsbroschüre, die anlässlich der offiziellen Eröffnung erschien und an ausländische Besucher*innen verteilt wurde, wird Neu-Saffein als ein Dorf beschrieben, das den „echten traditionellen Lebensstil“ der Bewohner*innen von Kisch zeigt. So wie er zur Zeit Marco Polos war.